NGC 6946 - Galaxie der Supernovae

von Wolfgang Quester

SN 2004et
Ab und zu nehme ich Galaxien und Planetarische Nebel auf, weil mich ihre Strukturen interessieren. Und so kam es zur Abb. 1, einer Aufnahme von NGC 6946 vom 4. 10. 2004.


Abb. 1: NGC 6946 aufgenommen am 9. 8. 2004 mit VC200L f/6.4 + ST-7E ohne Filter. Belichtung 21 x 2 Minuten.

Sechs Wochen später, am 27. September 2004 entdeckte Stefano Moretti [1] in dieser Galaxie eine Supernova - Anlass genug, NGC 6946 erneut aufzunehmen und den Lichtabfall der Supernova zu verfolgen. Vom 4. Oktober 2004 bis zum 15. Januar 2005 konnten in 13 Nächten Aufnahmen mit B- und V-Filtern gewonnen werden. Abb. 2 zeigt ein Farbbild vom 20. Dezember 2004, kombiniert aus B-, V- und ungefilterten Aufnahmen.


Abb. 2: Kombination aus Aufnahmen mit B-, V- und ohne Filter am 20. 12.2004. Belichtung 20 Minuten. Der Pfeil zeigt auf dieSupernova.

Schon die ersten Spektren der Supernova zeigten Wasserstofflinien in Emission. Damit war klar, dass es sich um eine SN vom Typ II handelt (Abb. 3). Vor allem bei Hß ist ein P-Cygni-Profil zu erkennen: Auf der kurzwelligen Seite der Emissionslinie sieht man eine Einsenkung. Sie wird durch Absorption im Wasserstoff der ausgestoßenen Hülle verursacht. Das Gas bewegt sich vom Explosionsort weg auf uns zu und der Dopplereffekt verschiebt die Linie ins Blaue. Aus der Verschiebung gegen die Ruhewellenlänge lässt sich die Geschwindigkeit berechnen. Sie beträgt rund 10 000 km/sec!


Abb. 3: Spektrum vom 7. Oktober 2004 von Udo Zlender, einem Amateur aus St. Augustin gewonnen [2].

Die Lichtkurve (Abb. 4) zeigt in den ersten 100 Tagen nur eine Abnahme der Helligkeit um 1 mag. Sie bildet nach dem Maximum ein Plateau das diesem Supernovatyp den Nameng gibt: Typ II-P. Die Abbildung macht ein Problem der Helligkeitsmessung deutlich, nämlich voneinander abweichende Vergleichssternsequenzen. Für die grünen Rhomben wurde die SN im V-Bereich mit Sternen der AAVSO e-Karte verglichen. Gelbe Kreise geben den Vergleich mit Sternen wieder, die BUTA (1982) [3] bei der Untersuchung der SN 1980k in NGC 6946 gemessen hat. Für beide Reihen ist die Standardabweichung einer Messung ±0.05 mag. Die Messungen gegen die AAVSO-Karte liegen aber im Mittel um 0.2 mag unter denen gegen die BUTA-Sequenz. Weil beide Sequenzen nicht die gleichen Sterne enthalten, lassen sich keine Gründe für diese Differenz angeben.

Abb. 4: Lichtkurve aus CCD-Messungen. Weitere Erläuterungen im Text.

BUTA [3] hat für seine Vergleichssterne auch Farbindizes (B-V) angegeben. Das ermöglichte B-Messungen, allerdings mit größerer Standardabweichung. Die SN ist in B (blaue Dreiecke) rund 1.5 mag schwächer als in V. Leider waren Sequenzen für R oder I nicht verfügbar.

Die Mitte Januar 2005 beginnende Schlechtwetterperiode hat leider Folgemessungen verhindert. Für den weiteren Helligkeitsverlauf konsultiere man den Lichtkurvengenerator der AAVSO (www.aavso.org).

LI et al. (2004) [4] haben auf älteren Aufnahmen einen möglichen Vorgängerstern gefunden. Die richtige Identifizierung wird aber erst möglich sein wenn SN 2004et schwächer geworden ist, so dass ihr Ort genauer bestimmt werden kann.

Supernovae in NGC 6946
Wenden wir uns nun der Galaxie NGC 6946 selbst zu. Sie liegt an der Grenze der Sternbilder Schwan und Cepheus bei 20h34.8m +60°09' (2000). Von
a Cep über h Cep ist sie leicht zu finden. Südlich von h Cep zeigen zwei Sterne 6. Größe auf die 6m südwestlich von ihnen liegende Sc-Galaxie, auf die wir fast von oben schauen. Trotz ihrer V-Helligkeit von 9 ist sie nicht einfach zu erkennen, weil sie wegen ihrer Größe von 11‘ x 10‘ eine geringe Flächenhelligkeit aufweist.

NGC 6946 liegt nur 11,7° nördlich des galaktischen Äquators. Wir haben großes Glück, dass in dieser Richtung die Absorption innerhalb der Milchstraße nur 1,5 Größenklassen ausmacht. Wie durch ein Fenster sehen wir auf die etwa 20 Mio Lichtjahre entfernte Galaxie. Sie enthält große Gas- und Staubmassen, Gebiete in denen neue Sterne entstehen. So ist es kein Wunder, dass in NGC 6946 immer wieder Supernovae aufleuchten. Sie ist der Rekordhalter unter allen Galaxien: Seit 1917 wurden acht Supernovae in ihr entdeckt (Tab. 1).

Nr. SN MAXIMUMTYPENTDECKER
82004et 12.8II-PMoretti
72002hh 16.5IILOTOSS
61980K 11.4II-LWild
51969P 13.9?Rosino
41968D 13.5IIWild
31948B 14.9IIMayall
21939C 13.0?Zwicky
11917A 14.6?Ritchey

In Abb. 5 markieren rote Ziffern die Gebiete, in denen die SNe erschienen sind. Man erkennt ihre Zuordnung zu den Spiralarmen. Fünf der acht Supernovae sind als SN Typ II identifiziert worden, Typen der anderen sind nicht bekannt [1].

Abb. 5: Rote Ziffern verweisen auf die Gebiete in denen SNe in NGC 6946 erschienen sind.
Die Sterne nahe den Zahlen sind nicht die SNe, es sind Vordergrundsterne unserer Milchstraße. Die SNe außer der Nr. 8 sind längst unsichtbar.

Grundlegendes über Supernovae
SNe werden nach dem Auftreten von Wasserstofflinien im Spektrum klassifiziert. Typ II zeigt Wasserstofflinien, Typ I nicht. Diese Klassifikation ist aber keine Einteilung nach physikalischen Ursachen der Explosion [5], [6]. SNe Typ Ia entstehen offenbar dann, wenn ein Weißer Zwerg in einem Doppelsternsystem von seinem Partner Materie absaugt. Überschreitet seine Masse irgendwann 1,4 Sonnenmassen kommt es zu explosiven Kernfusionen, wobei es den Weißen Zwerg völlig zerreißt. Nur die sich im All verteilenden Gasmassen (bestehend aus Eisen und anderen schweren Elementen) und evtl. der Begleiter bleiben übrig. Da es lange dauert, bis aus einem Stern ein Weißer Zwerg wird, sind die Vorgänger von Typ IA SNe sehr alte Sterne.

SNe der Typen Ib, Ic und II entstehen durch den Zusammenbruch des Kerns eines massereichen und somit jungen Sterns. Sie unterscheiden sich im Spektrum durch ihren Gehalt an schweren Elementen. In Sternen von 10...20 Sonnenmassen finden atomare Kernfusionen in zwiebelartig übereinander liegenden Schalen statt. In der äußersten Schale fusioniert Wasserstoff zu Helium, darunter Helium zu Kohlenstoff und Sauerstoff. Die verbrennen zu Silizium. Endprodukt ist Eisen, das sich im Kern ansammelt (Abb. 6). Erreicht der Eisenkern eine Masse von 1,2 ...2 Sonnenmassen bricht er zu einem Neutronenstern oder gar zu einem Schwarzen Loch zusammen (NADYAZHIN, IMSHENNIK, 2005) [5]. Die dabei entstehende Stoßwelle beschleunigt die äußeren Schichten des Sterns auf hohe Geschwindigkeiten. Das Fehlen von Wasserstoff im Spektrum der Typen Ib und Ic deutet man so, dass der Wasserstoff durch Sternwinde schon vor der Explosion vollständig verloren gegangen ist. Bei SNe Typ Ic ist zusätzlich zum Wasserstoff auch das Helium abgeblasen worden. Zusammenfassend lässt sich folgendes Schema aufstellen (RYDEN) [6]:

Klassifizierung:

* Typ Ia, Ib, Ic: Supernovae OHNE Wasserstoff-Absorptionslinien im Spektrum

* Typ II: Supernovae MIT Wasserstoff-Absorptionslinien im Spektrum

HINWEIS: Typ Ib und Typ Ic Supernovae haben im Wesentlichen dieselben Ursachen wie Typ II Supernovae.

Vorgängerstern der Supernova:

* Typ Ia: Weißer Zwerg in engem Doppelstern (der WZ kann sehr alt sein -- bis zu 10 Mrd Jahre)

* Typ II, Ib, Ic: Massiver Überriese (der Überriese muss sehr jung sein -- vielleicht 1 Million Jahre)

Energiequellen:

* Typ Ia: Kernfusion (Kohlenstoff und Sauerstoff --> Eisen)

* Typ II, Ib, Ic: Gravitation (Kollaps des Eisenkerns)

Was bleibt übrig:

* Type Ia: Gasförmiger Supernova-Überrest, sehr reich an Eisen

* Type II, Ib, Ic: Gasförmiger Supernova-Überrest mit Elementen schwerer als Eisen und ein sehr dichter Körper, ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch.

 


Abb. 6: Zwiebelschalenstruktur eines Überriesen kurz vor einer Supernova-Explosion. Durch Sternwind kann die Wasserstoffschale verloren gehen. Die Achsen geben den Radius in logarithmischer Skala an (nach TRÜMPER (2004) [7] bzw. NADYOZHIN und IMSHENNIK [5])

 

Literatur:

[1] List of Supernovae = Aktuelle Liste ALLER bekannten SN:
http://cfa-www.harvard.edu/cfa/ps/lists/supernovae.html

[2] ZLENDER U.: The Spectrum of Supernova SN2004et,
www.gmd.de/People/Udo.Zlender/astro/2004/spectra/sn2004et.html

[3] BUTA R. J.: Photometric Observations of the Bright Type II Supernova 1980k in
NGC 6946, PASP 94:578-585 (Juni 1982)

[4] Li W., VAN DYK S. D., FILIPENKO A. V., CUILLANDRE J-C.: On the progenitor of the type II supernova 2004et in NGC 6946, arxiv:astro-ph/0412487 v1 (17. Dez. 2004)

[5] NADYOZHIN D. K., IMSHENNIK V. S.: Physics of Supernovae, arxiv/astro-ph/0501002 v1

[6] RYDEN B.: Astronomy Lectures 19 & 20
www.astronomy.mps.ohio-state.edu/~ryden/ast162_5/notes19.html
und .../notes20.html

[7] TRÜMPER J.: Kompakte Sternleichen, SuW Special 2/2004, 65-76

FERNER:

DE BOER K. S.: Vorlesung Einführung in die Astronomie,
www.astro.uni-bonn.de/~deboer/eida/eida-sn.html

NASA's Imagine the Universe - Supernovae,
http://csep10.phys.utk.edu/guiding/violence/supernovae.html

POMPEI E., NATALI G.: Analysis of seven face-on spiral galaxies, A&A Supplement 124 (1997), 129-141

STERNE und WELTRAUM Heft 5/2005