Rundbrief 1/2004

KH15D und seine protoplanetare Scheibe

Hans-G. Diederich

Beobachtungen

Am 21.06.2002 berichtete die Rheinische Post über KH 15D. Die Ergebnisse einer Literaturrecherche wurden noch am selben Tage auf den Mailinglisten von BAV und Deepsky gepostet. Am 01.07.02 stellte unser Webmaster erstmals eine Fotokarte auf die Website der BAV. Der folgende Urlaub brachte dann meine erste Beobachtung des Lichtwechsels von KH 15D. Die Ergebnisse wurden am 26.11.02 veröffentlicht. An dieser Stelle möchte ich unserem Webmaster, Thorsten Lange, für sein Entgegenkommen und seine Mühe bei der Pflege unserer Website danken.

Inzwischen wurde noch ein zweites Mal der Wechsel vom Maximum zum Minimum beobachtet und sogar als animiertes .gif dokumentiert. Auf eigenen Aufnahmen, solchen anderer Sternfreunde und auf vielen Profiaufnahmen des Konusnebels, die ohne Wissen um KH 15D in der Vergangenheit entstanden, konnte dieser Stern nachträglich entweder eindeutig identifiziert oder eindeutig NICHT gesehen werden.

Bei den vorläufig letzten Aktivitäten handelte es sich um einen Vortrag auf der Deepsky-Tagung 2003 (Eisenberg), um mehrere Postings auf der Mailingliste der VdS-FG Deepsky und um einen Aufsatz im VdS-J Nr. 12 (S. 124).

Mit KH 15D bietet sich uns Sternfreunden erstmals die Gelegenheit, eine protoplanetare Scheibe in ihren Auswirkungen und in ihrer Entwicklung, quasi "live", zu erleben. Jeder Amateur mit mittelgroßem Teleskop und CCD-Kamera oder integrierender Videokamera sollte dazu technisch in der Lage sein. Die Bedeutung von KH 15D einerseits und die Möglichkeit, bei fachgruppenfremden Sternfreunden Aufmerksamkeit für die BAV, deren Ziele und Methoden zu wecken, ließen mich etwas intensiver als sonst üblich hierüber berichten. Werner Braune bat mich um einen zusammenfassenden Beitrag für den Rundbrief, der hiermit vorgelegt wird.

Eigenschaften

KH 15D ist ein "weak-lined" T-Tauri-Stern (WTT). Sein Alter beträgt rd. 2 Millionen Jahre, und seine Entfernung 760 pc. Entdeckt wurde er von Kearns und Herbst im Jahre 1998. Die Katalogbezeichnung ist wie üblich aus den ersten Buchstaben ihrer Namen abgeleitet. KH 15D ist somit der 15. Stern im Feld D. Wer in Simbad sucht, muss dort allerdings die Bezeichnung "NGC2264 VVO D15" oder "V* V582 Mon" eingeben. Dann ergeben sich schnell Position und weitere Daten:

(2000.0)
RA = 06h41m10.18s
DEC = +09° 28' 35.5"
B = 17.4 mag
V = 16.1 mag

KH 15D weist einen mit ca. 3,5 Magnituden großen Unterschied zwischen Minimum und Maximum auf. Das Minimum dauert 18 Tage und wiederholt sich alle 48 Tage. In der Literatur finden sich folgende Elemente für die Mitte des Minimums:

JD (mid-eclipse) = 2451626.86 + 48.34 * E
Die Dauer des Minimums nimmt pro Jahr um einen Tag zu.

Damit liegen alle Werte vor, um Beginn und Ende und damit die interessanten Zeiten für eine Beobachtung bestimmen zu können. Es empfiehlt sich, über einen Zeitraum von einigen Tagen um diese Zeitpunkte herum zu beobachten. Und dies nicht nur einmal, sondern immer wieder. Warum wird weiter unten erläutert.

Die große Dauer des Minimums gab sofort Anlass zum Nachdenken. Denn keine Konfiguration von kugelförmigen Körpern ist vorstellbar, die sich mit diesen Daten als enges Doppelsternsystem umkreisen und gegenseitig bedecken können. Das KH 15D bedeckende Objekt musste also etwas anderes, sehr viel größeres sein. Vielleicht eine protoplanetare Scheibe, die KH 15D umgibt und auf die wir von der Seite her ("edge on") schauen. Aus mehreren Beobachtungen wurde dann die Partikelgröße abgeleitet und auch auf einen "warp" (Aufbiegung am Rand, ein "Eselsohr" also) dieser Scheibe geschlossen, der zur periodischen Bedeckung von KH 15D und zum Minimum führen sollte.

Historische Lichtkurven

Aber die Geschichte geht weiter. Da erst jüngst entdeckt, wollte man wissen, wie sich KH 15D früher verhalten hatte. Schließlich hätte sein extremes Verhalten doch früher auffallen können. Man schaute also auf alten Fotoplatten nach. Das Ergebnis dieser Untersuchung ging wie ein Paukenschlag durch den fachastronomischen Blätterwald: KH 15D zeigte in der Vergangenheit absolut kein Minimum! Die Besonderheiten seiner historischen Lichtkurven lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Modell zur Erklärung des Verhaltens

Winn et al. entwickelten 2003 ein Modell, dass diese Eigenschaften erklärt. Für die sich periodisch wiederholende Bedeckung ist kein "Eselsohr" der protoplanetaren Scheibe erforderlich. Stattdessen soll es sich bei KH15D um ein Doppelsternsystem handeln, das zunehmend von der Kante einer protoplanetaren Scheibe bedeckt wird. Zunächst erfolgte nur die Bedeckung von überwiegend einer Komponente, dann die Bedeckung auch der zweiten Komponente. Hierdurch lässt sich auch der Phasen-sprung von 180° erklären. Die protoplanetare Scheibe umgibt beide Komponenten des Doppelsterns KH 15D gemeinsam und prezediert leicht, daher auch die langsame Zunahme des Minimums.

Die Autoren schreiben ihr Modell in die Zukunft fort und sagen voraus, dass im Jahr 2012 überhaupt kein Maximum mehr auftreten wird: KH 15D würde dann überhaupt nicht mehr hell werden!. Damit ergibt sich für uns die äußerst reizvolle Möglichkeit, mit je einer Beobachtungsfolge pro Jahr diese Veränderung selber erleben und das Modell von Winn et al. entweder bestätigen oder widerlegen zu können.

Hinweise für zukünftige Beobachtungen

Für die lückenlose Beobachtung des Wechsel zwischen Minimum und Maximum benötigt man für ca. vier aufeinander folgende Nächte gutes Wetter. Wer im astronomischen Urlaub beobachten kann, ist gut dran. Die Daheimgebliebenen sollten versuchen, mehrere Minima zu beobachten und durch phasenrichtige Einordnung - vielleicht sogar in Kooperation mit anderen Sternfreunden - eine Summenlichtkurve zu erstellen. Methoden und Organisation der Veränderlichenbeobachtung ermöglichen dies. Die BAV bietet hierfür ihre Hilfe an. In einigen Jahren würden sich Verände-rungen der Lichtkurve erkennen lassen.

KH 15D bietet uns Sternfreunden viele Möglichkeiten, selber aktiv zu werden und wieder einmal hautnah "Abenteuer Astronomie" zu erleben. Machen Sie mit!

Rundbrief 1/2004