Zur Einstiegsseite der BAV Homepage.
Zum Verzeichnis der BAV Rundbriefe

Wer beobachtet mit? RR Lyrae

Ralf Meyer

Die visuelle Beobachtung kurzperiodisch veränderlicher Sterntypen stellt nur geringe Anforderungen an Größe und Qualität der benützten Optik. Stattdessen erfordert sie gelegentlich ein gerütteltes Maß an Geduld und die Bereitschaft, stundenlang in kalter Witterung auszuharren. Amateur-Beobachtungen an Veränderlichen können erheblichen wissenschaftlichen Wert, in ihrer Art einmalig und anders kaum zu haben sein. Wer sich deshalb für die Veränderlichenbeobachtung interessiert und trotzdem die körperliche Belastung in Grenzen halten will, für den haben wir heute ein günstiges Angebot.

RR Lyrae hat einer großen und klassischen Gruppe physisch veränderlicher Sterne den Namen gegeben. Obwohl RR-Lyrae das hellste dieser Objekte ist, benötigt man zu seiner Beobachtung mindestens ein Fernglas 7x50. Die vielen hundert weiteren Objekte, die man im Lauf der Zeit hier klassifizierte, sind meistens erheblich lichtschwächer und rufen nach etwas größeren Optiken. Die RR-Lyrae-Sterne verändern ihre Helligkeit im Takt von Oszilationen ihres Durchmessers und ihrer Oberflächentemperatur. Diese Oszillationen sind lange Zeit höchst regelmäßig und man vermutet ähnliche Mechanismen wie bei den Pulsationen der klassischen Cepheiden. Wie ihre großen Brüder sollen die RR-Lyrae-Sterne entwickelte, aufgeblähte Sterne sein. Ein typischer Befund lautet: 0,5 Sonnenmassen, 5facher Sonnendurchmesser. Verglichen mit den Cepheiden - wahren Leuchtkraft-Giganten am Himmel - sind sie also massearm und schwach an absoluter Leuchtkraft. Ein ebenfalls sehr auffälliger Unterschied zu den Cepheiden ist ihre Verteilung am Himmel. Sind die Cepheiden stark zur galaktischen Ebene hin konzentriert und weisen sich allein schon dadurch als Mitglieder der Typ-1-Population aus, findet man die RR-Lyrae-Sterne überall am Himmel verteilt. Man nimmt deshalb und aus anderen Gründen an, dass die RR-Lyrae-Sterne zur älteren Halo-Population gehören, die unsere Galaxis wie eine Kugel umgibt und durchdringt. Sie kommen in den alten Kugelsternhaufen sehr häufig vor und die Angloamerikaner nennen sie deshalb auch cluster variables.

RR Lyrae steht hoch am Sommerhimmel näher bei χ Cyg als bei der eigentlichen Leier in einem reich besetzten Sternfeld, das in unseren Breiten dann nahe am Zenit vorbeizieht und vom Fernglasbenützer eine bewegliche Halswirbelsäule verlangt. Das Aufsuchen kann von χ Cyg ausgehen (siehe Abbildung). Die Koordinaten (2000) lauten: α=19h25m28s und δ= +42° 47,2'. Während der Stern die meiste Zeit im schwachen Licht bei 8,12mag verharrt, steigt alle 0,566819 Tage oder alle 13 Stunden die Helligkeit in etwas mehr als einer Stunde auf 7,06mag an. Diese Amplitude von über 1mag ist im Feldstecher einfach wahrzunehmen. Schätzungen bitte alle 10 Minuten. Nach dem Maximum folgt ein langsamerer, relativ zügiger Abstieg. Die Beobachtung ist nach zwei bis drei Stunden beendet. Aus den Vorhersagen kann man unter den über 700 Maxima pro Jahr bequemlichkeitshalber diejenigen auswählen, die in die erste Hälfte einer mondlosen, lauen Sommernacht fallen.

Dennoch ist RR Lyrae kein zum Überdruss bekanntes Allerweltsobjekt. Der Stern weist wie viele seiner Klassenkameraden einen erheblichen Blazhko-Effekt auf. Dieser Effekt ist ursächlich noch nicht genau verstanden und besagt, dass sich die Form der Lichtkurve in überlagernden Zyklen, die die Länge von einigen Dutzend bis hundert Grundpulsationen haben, langsam verändert. Für die Beobachtungspraxis ist die wichtigste Folge, dass die Maximumszeiten im Laufe der Monate um bis zu 1 Stunde beidseits von den Vorhersagen abweichen können, ohne dass deshalb eine echte Änderung der primären Pulsationsperiode vorliegt.(Blazhko-Periode bei RR Lyrae: 40,8 Tage). Ein weiterer Grund, warum RR Lyrae immer wieder den Blick durch eine kleine Optik wert ist, ist der Umstand, dass der Stern für die im Amateurbereich handelsüblichen Teleskop-CCD-Kamerasysteme zu hell und deshalb unattraktiv ist. Drittens wechseln die meisten RR-Lyrae-Sterne irgendwann tatsächlich ihre Grundperiode. Diese häufig sprunghaften, selten kontinuierlichen Änderungen können nur fleißige Amateure lückenlos dokumentieren.

Die Leier ist ab Juni bequem nach Ende der Abenddämmerung zu beobachten. Berechnete Vorhersagedaten enthält das BAV Circular 2005.


Zur Einstiegsseite der BAV Homepage.
Zum Verzeichnis der BAV Rundbriefe