Rundbrief Verzeichnis

Eruptive Sterne in der Saison 2000/1

Wechsel in der Sektionsleitung

Als neuer Leiter der Sektion Kataklysmische und Eruptive Sterne (seit dem 1.2.01) möchte ich meinem Vorgänger, Herrn Eberhard Splittgerber, für die knapp viereinhalbjährige Arbeit als Sektionsleiter danken. Herr Splittgerber hatte die Aufgabe bei der BAV Tagung 1996 in Nürnberg von Michael Möller übernommen.

Die Eruptivendatenbank

Von Herrn Splittgerber übernahm ich die sehr gut gepflegte Datenbank mit Einzelbeobachtungen von Eruptiven, die bei einer Reihe von Sternen bis ins Jahr 1986 und bei einigen wenigen bis 1984 zurückreicht. Aufgrund eines Vergleiches der enthaltenen Sterne mit ihren wirklichen Typen mußten einige Sterne aus der Datenbank entfernt werden, da es sich laut GCVS um Halbregelmäßige oder um Bedeckungsveränderliche ohne Zusatz "Eruptiv" handelte. Ein zweiter Verleich betraf die vermerkten Beobachterkürzel, da einige BAV Mitglieder mit zwei bis drei verschiedenen Kürzeln vertreten waren.

Bei der weiteren Pflege der Datenbankmöchte ich insbesondere auf die zeitraubende Eingabe der monatlichen Beobachtungsberichte weitgehend verzichten. Daher bitte ich alle BAV Mitglieder, die ihre Schätzungen am PC eingeben und sogar per Mail an die AAVSO und AFOEV schicken, mir diese Monatslisten ebenfalls (per Mail oder Diskette) zukommen zu lassen. Diese Schätzungen kann ich dann automatisch in die Datenbank integrieren. Bei allen auf herkömmliche Art erstellten Beobachtungslisten muß ich auf die manuelle Eingabe durch die AFOEV warten, bis die Daten schließlich auf ihrer Homepage zur allgemeinen Verfügung stehen.

Natürlich stellt sich auch die Frage nach dem Sinn einer eigenen Datenbank, da alle Daten doch bei der AFOEV und der AAVSO ebenfalls gesammelt werden. Bei diesen Datenbanken erweist es sich jedoch als schwierig, nur neue Beobachtungen oder nur Beobachtungen von BAV Mitgliedern zu extrahieren, da in jedem Fall die komplette Liste der Daten zu einem Stern geladen werden muß. Für einen schnellen Überblick über die Beobachtungsaktivitäten der BAV Mitglieder ist also eine eigene Datenbank sinnvoll.

Auch das VSNET [1] sammelt alle eingeschickten Beobachtungen. Obwohl die eruptiven Sterne hier eine zentrale Bedeutung haben, fließen die eingesandten Daten aller anderen veränderlichen Sterntypen mit in die Datenbank ein. Wichtig ist das VSNET durch die weltweit schnellste Veröffentlichung von Ausbruchsinformationen: Als Abonnent der vsnet-alert Mailingliste erfährt jeder Sternfreund innerhalb weniger Stunden nach der Erstbeobachtung eines Ereignisses von einer Nova oder dem Ausbruch eines anderen eruptiven Sterns, so daß gezielt weitere Beobachtungen noch in der Anstiegsphase der Helligkeit möglich sind.

Bisher beteiligt sich die BAV fast gar nicht durch die Einsendung von Beobachtungen am VSNET, obwohl eine Reihe von BAV Mitgliedern die Mailingliste abonniert haben. Ich rufe daher alle Beobachter eruptiver Sterne dazu auf, insbesondere bei Helligkeitsausbrüchen oder einem beginnenden Minimum von RCRB-Sternen eine entsprechende Mail an vsnet-alert@kusastro.kyoto-u.ac.jp zu senden oder die Sektionsleitung oder einen anderen Beobachter mit EMail zu verständigen, so daß über diesen Weg die Meldung ihren Weg findet.

Unsere Beobachter und ihre Sterne

Eine Auswertung der Eruptivendatenbank ergab das erwartete Bild einer Reihe von sehr gut beobachteten Sternen. Die beobachtungsaktiven Sterne sind in Tabelle 1 und die aktivsten Beobachter in Tabelle 2 aufgelistet. Wegen noch fehlender oder nicht ausgewerteter Beobachtungsbögen der letzten Monate können die angegebenen Zahlen gegenüber den selbstgeführten Zählungen der Beobachter geringfügig nach unten abweichen.

Anzahl

Seit 2000

Stern

6753

571

R CrB

5765

374

CH Cyg

5559

324

SS Cyg

3546

256

T CrB

2602

37

Z Cam

2260

18

V723 Cas / Nova 1995

2207

104

AG Dra

2041

106

Z And

1940

51

RX And

1641

1

SU UMa

1619

11

AX Per

1572

6

SS Aur

1408

0

CH UMa

1387

69

AG Peg

1321

3

UV Per

1312

62

U Gem

466

132

X Per

192

124

V1494 Aql / Nova 1999#2

535

105

BU Tau

Tabelle 1: Sterne in der Eruptivendatenbank mit insgesamt mindestens 1300 Beobachtungen sowie mit mindestens 100 Beobachtungen seit dem 1.1.2000.

Anzahl

Seit 2000

Beobachter

36 118

0

Michael Möller

21 544

0

Lasse-Teist Jensen

10 014

462

Günther Krisch

5 684

0

Jochen Pietz

4 614

0

Stefan Korth

4 533

0

Hans-Mereyntje Steinbach

3 872

607

Frank Vohla

2 286

139

Wolfgang Kriebel

1 664

202

Jörg Neumann

1 589

0

Peter Maurer

1 553

0

Werner Hasubick

1 422

329

Alfred Holbe

1 400

273

Dieter Süßmann

1 291

230

Dr. Peter Enskonadus

1 258

238

Thorsten Lange

945

334

Hartmut Bretschneider

249

218

Hellmut Schubert

Tabelle 2: Die aktivsten Eruptivenbeobachter in der BAV mit mehr als 1000 Schätzungen insgesamt oder mit mehr als 100 seit Anfang 2000.

Bei dem Vergleich der Gesamtzahl mit der Beobachtungszahl seit dem 1.1.2000 fällt auf, daß die bisher sehr gut verfolgten Eruptiven SS Aur, UV Per, CH UMa und SU UMa augenblicklich praktisch von keinem BAV Mitglied betrachtet werden. Mit Bedauern muß man auch zur Kenntnis nehmen, daß von den sechs aktivsten Beobachtern nur noch einer Eruptive verfolgt. Erfreulicherweise sind aber in den letzten Jahren eine ganze Reihe regelmäßiger Beobachter hinzugekommen, so daß in den vergangenen vierzehn Monaten immerhin 3398 Beobachtungen von Eruptiven erfolgten.

Lichtkurvenblätter

Ein sehr befriedigendes Moment der Beobachtung veränderlicher Sterne besteht in der Erstellung einer möglichst dicht besetzten Lichtkurve. Für Bedeckungsveränderliche sind diese Kurven zur Bestimmung des Minimums notwendig, ebenso bei Langperiodischen und Halbregelmäßigen für beide Extrema, Buckel, konstante Maxima oder andere interessante Phasen.

Eruptive Sterne der Typen R CrB oder Z And lassen sich wie Langperiodische beobachten, sie zeigen auch nicht zuviele Unregelmäßigkeiten, die man bei einem Rhythmus von einer Beobachtung pro Woche verpassen würde. Problematisch wird es bei der genauen Bestimmung des Anstiegszeitpunktes von Z And oder des Abstiegszeitpunktes bei R CrB. Bei seinen letzten beiden Ausbrüchen stieg beispielsweise Z And innerhalb von weniger als zwei Tagen spontan um eine Magnitude an. Bei seinem vergangenen Minimum fiel R CrB innerhalb von zehn Tagen um fünf Helligkeitsklassen. Für eine Lichtkurve, die in einem solchen Fall ohne riesigen Sprung auskommt und eine sinnvolle Detektion des Ereigniszeitpunktes zuläßt, muß folglich fast jeden Tag eine Beobachtung erfolgen!

Noch höher sind die Anforderungen an Lichtkurven von Sternen wie SS Cyg oder U Gem zu stellen: Der Helligkeitsanstieg beträgt hier vier bis fünf Magnituden innerhalb von einem Tag! Eine Lichtkurve, die nicht nur einen Ausbruch feststellt, sondern auch ihren Zeitpunkt festlegt, muß mehrere Beobachtungen innerhalb weniger Stunden enthalten.

Abb. 1: Zwei beispielhafte Lichtkurven aus den Jahren 1999 und 2000 von SS Cyg zeigen die Problematik der Ausbruchsbestimmung. Die linke Kurve von Herrn Enskonatus stellt drei Eruptionen dar, bei denen offensichtlich jeweils nur Beobachtungen des absteigenden Teils des Helligkeitsverlaufs vorliegen. Es lassen sich weder das Datum des Ausbruchs noch deren Maximalhelligkeiten bestimmen. Die rechte Kurve von Herrn Krisch zeigt vier Beobachtungen innerhalb von fünf Tagen und läßt damit eine relativ genaue Bestimmung des Datums zu. Auch das Maximum ist erkennbar, die Dauer des Maximums jedoch nicht. All diese Ausbruchsparameter können erst aus der Zusammenfassung aller Einzelbeobachtungen gewonnen werden.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Erstellung von Lichtkurven durch Einzelbeobachter in der Sektion Eruptive ein seltenes Phänomen ist. Ein einigermaßen sinnvolles Ergebnis läßt sich erst bei der Zusammenfassung aller Beobachtungen in einer gemeinsamen Lichtkurve erreichen. So zeigt beispielsweise die BAV Lichtkurve von SS Cyg in den letzten Jahren eine sehr gute Abdeckung, so daß bei fast allen Ausbrüche ist Parameter Datum, Dauer und Helligkeit bestimmt werden können.

Wissenschaftliche Relevanz der Beobachtungen

Auf die wissenschaftliche Verwertbarkeit solcher Ergebnisse insbesondere bei den überbeobachteten eruptiven Sternen möchte ich an dieser Stelle nicht genauer eingehen. Sie scheinen aber nur einen statistischen Wert zu haben und sind für die aktuelle Forschung nicht relevant.

Eine Ausnahme bildet hier die Kombination von visuellen Beobachtungen mit Messungen durch Satelliten. Beispielsweise ruft die AAVSO manchmal dazu auf, einen Ausbruch von SS Cyg umgehend zu melden, damit verschiedene Satelliten den Ausbruch in anderen Wellenlängenbereichen verfolgen können: extremes Ultraviolett und Röntgenstrahlung. So konnte festgestellt werden [5], daß bei SS Cyg etwa einen Tag nach dem visuellen Ausbruch die Röntgenstrahlung ansteigt und am zweiten Tag wieder den normalen Wert erreicht. Zu diesem Zeitpunkt beginnt der UV-Ausbruch. Interpretiert werden diese Beobachtungen mit dem Einfall der Akkretionsscheibe auf die Oberfläche des Weißen Zwerges, wobei mit der Aufheizung der Materie visuelles Licht erzeugt wird. Am ersten Tag heizt sich die Korona zwischen Scheibe und Zwerg so stark auf, das Röntgenstrahlung erzeugt wird. Am zweiten Tag schließlich erreicht der innere Bereich der Scheibe die Oberfläche des Sterns und verursacht das ultraviolette Licht. Gleichzeitig verschwindet das Gebiet, das die Röntgenstrahlung erzeugt.

Ein weiterer Bereich, der Amateuren Arbeitsfelder bietet, liegt in der Typenbestimmung von wenig beobachteten Objekten. Bei vielen Sternen mit seltenen und kurzen Ausbrüchen sind die Amplitude, Dauer und Ausbruchhäufigkeit nur ungenau bekannt. Phänomene wie die "Superhumps", also regelmäßige Helligkeitsänderungen während des Ausbruchs, sowie Bedeckungen der beiden Sterne im Eruptiven-System während des Helligkeitsminimums sind nur mit kontinuierlichen CCD-Messungen erkennbar.

Beobachter mit dem konkreten Wunsch zur "sinnvollen" Unterstützung der Profiastronomen sollten sich also auf schlecht verfolgte Objekte konzentrieren, von denen doch viele im Maximum auch mit kleineren Geräten gesehen werden können, oder, falls eine CCD-Kamera zur Verfügung steht, zeitlich gut aufgelöste und über Stunden andauernde Helligkeitsmessungen durchführen.

Dies soll aber niemandem den Spaß verderben und davon abhalten, Sterne wie SS Cyg zu beobachten, und sich jedesmal wieder überraschen zu lassen, wie lange es von Ausbruch zu Ausbruch dauert und wie dieser verläuft.

Die Sektion im Internet

Im Bereich der Sektion Eruptive auf der BAV Homepage [6] wird sich bis zum Erscheinen dieses Artikels eventuell schon einiges geändert haben. U.a. plane ich die Einbindung einiger Aufsuchkarten für helle eruptive Sterne sowie Hinweise auf vernachlässigte Objekte. Diese Hinweise sollen zukünftig auch regelmäßig im BAV Rundbrief erscheinen.

Novae

In der Saison 2000/1 ereignete sich keine Nova oder Supernova, die durch ein BAV Mitglied verfolgt wurde. Mit nur vier Novae zeigt das Jahr 2000 insgesamt wenig von dieser Sternklasse. Nur eine Nova erreichte 8.5mag, wobei die Natur von V445 Pup bisher nicht genau geklärt ist, die anderen Novae blieben unter 10mag. In diesem Jahr kam es bisher zu einer Nova in Sgr mit 7.7mag im Maximum.

Die Nova 1999 Aql (V1494 Aql) blieb das ganze Jahr über relativ leicht auch für kleinere Instrumente sichtbar und unterschritt erst im Dezember die 12mag-Marke. Eine Lichtkurve dieser im Maximum mit bloßem Auge sichtbaren Nova erschien zuletzt im Rundbrief 4/2000.

Eruptive

Der helle und bekannte Eruptiven SS Cyg gehörte wieder einmal zu den am stärksten verfolgten Sternen in dieser Sektion. Die Lichtkurve in Abb. 2 läßt eine sehr gute Beobachtungsdichte erkennen. Aus der Gemeinschaftslichtkurve der insgesamt elf BAV Beobachter läßt sich das Verhalten des Sterns während der vergangenen fünfzehn Monate schön ablesen.

Abb. 2: SS Cyg seit Anfang 2000 aus 324 Beobachtungen der BAV: Enskonatus, Holbe, Koehn, Krisch, Lange, Maintz, Schubert, Suessmann, Spanows, Vohla, Walter

U Gem wurde von mehreren Beobachtern leidlich verfolgt und zeigte im März und Oktober 2000 zwei Helligkeitsmaxima, die jeweils nur durch zwei BAV Beobachtungen belegt sind. Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Artikels sind bereits mehr als 170 Tage seit dem letzten Ausbruch vergangen, so daß die durchschnittliche Periode bereits um siebzig Prozent überschritten ist. Bis zum Erscheinen dieses Rundbriefes sollte der Stern also schon wieder im Maximum gewesen sein.

Der selten aktive DO Dra brach nach dem 20.09.1999 am 16.11.2000 erneut aus, jedoch blieb er abgesehen von einigen wenigen Negativschätzungen durch BAV-Mitglieder unbeobachtet. Im nächsten Rundbrief soll eine ausführliche Vorstellung dieses Sterns erfolgen, ich möchte aber schon an dieser Stelle zur intensiveren Verfolgung von DO Dra und auch von U Gemaufrufen.

Abb. 3: R CrB seit September 2000 aus 571 Beobachtungen der BAV: Bretschneider, Enskonatus, Holbe, Krisch, Kriebel, Lange, Neumann, K.Rätz, Scharnhorst, Schubert, Suessmann, Schabacher, Vohla, Witt

Z And brach Anfang September auf bis zu 8.6mag aus und fällt in den letzten Wochen wieder leicht ab.

CH Cyg zeigte sich in dieser Saison unspektakulär und blieb mit leichten Schwankungen bei 9mag.

Auch AG Dra verweilt seit dem letzten Ausbruch im August 1998 relativ konstant bei knapp über 10mag.

FG Sge schwankte während der ganzen Saison zwischen 10 und 11mag.

R CrB begann in der zweiten November-Hälfte mit einem Helligkeitsabfall und verlor Anfang Dezember innerhalb von zehn Tagen fünf Helligkeitsklassen (Abb. 3). Ende Dezember trat mit 12.5mag das Minimum ein, Mitte Februar wurde die Normalhelligkeit wieder erreicht.

Literatur / Links

[1] Homepage des VSNET: www.kusastro.kyoto-u.ac.jp/vsnet/

[2] (Super)Nova-Suspect Minor-Planet Checker des CBAT: cfa-www.harvard.edu/ps/CheckSN

[3] Homepage der IAU: cfa-www.harvard.edu/cfa/ps/cbat.html

[4] Homepage der AAVSO: www.aavso.org

[5] BAA Variable Star Section Circular, No. 107, March 2001, S. 16/17

[6] Homepage der BAV: www.thola.de/bav.html

Thorsten Lange, Bovenden

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