Rundbrief Verzeichnis

AAVSO oder AFOEV für die BAV

Der Titel ist mir sehr provokant ins Programm gerutscht. Bei näherem Hinsehen kann es kein oder geben, weil sich keine Alternativen stellen. Gearbeitet werden muss mit beiden Organisationen und natürlich mit dem VSNET.

In meinem Rundbrief-Artikel (1/2002, S.11 ff.) unter dem Titel "Meine persönlichen Visionen und die Realitäten zukünftiger BAV-Arbeit" ist meine Vision stark auf mehr Zusammenarbeit in Europa ausgerichtet. Aber es geht auch um die Realitäten der BAV-Arbeit. In dem Zusammenhang gibt es einige Bemerkungen über den "schlechten Ruf" der Amerikaner. Hierüber möchte ich heute etwas ausführlicher sprechen. Nach einigen Überlegungen komme ich zu einem versöhnlicheren Bild.

Es stehen Aussagen unter BAV-Mitgliedern im Raum:

Einigermaßen aktuell: "Die AAVSO zieht alle Beobachtungen weltweit an sich. Wenn man etwas haben will, kostet es Geld." (Hintergrund: Copyright bei AAVSO-EB-Sternergebnissen, die im Rahmen eines BAV-Datenbank-Angebotes integriert, auf CD-ROM gespeichert und gegen einen Kostenbeitrag verkauft werden könnten).

Oder schon sehr alt; aber immer noch hintergründig: "Amateure erhalten von der AAVSO keine Daten zur Bearbeitung von Einzelsternen aus deren Daten- bank; meist wird gar nicht erst geantwortet".

Andererseits: "Der Zugriff auf die AFOEV-Datenbank ist leicht und gut nutzbar". Das ist auch schon alt; aber seither gut eingespielt.

Dieser Tatbestand hatte als Folge, nicht nur arbeitsmäßig, sondern vor allem gedanklich davon auszugehen, dass das immer so ist und bleibt. Diese statische Denkungsart hielt vielfach davon ab, die AAVSO neu auszuprobieren.

Alles vom Hören und Sagen

Mein Problem im Umgang mit diesen Aussagen ist das eines externen Aktienanalysten: Man sieht zu wenig von internen Vorgängen!

Aus der aktuellen Arbeit mit unseren Beobachtern kenne ich einige Abläufe und bekomme aus speziellen Aussagen auch einige akute Fälle mit. Ein eigenes Engagement des Umgangs mit unseren "Kooperationspartnern" betreibe ich nicht. Einen Internet-Zugang habe ich nicht, allerdings ein grundsätzlich offenes Ohr und die Angewohnheit, bei Problemen nicht nur diese zu sehen, sondern das allgemeine Umfeld auch im Blick zu haben, um ggf. Nachforschungen über andere zu initiieren.

Für mich gilt in allen Bereichen der Arbeit die Devise: "Das aktuelle Problem ist immer nur die Spitze eines Eisberges, unter Wasser liegt die gesamte Breite des Eisklotzes".

Für unsere BAV bin ich daher stets bemüht, in Rundbriefbeiträgen allen BAVern die eigenen Organisationsabläufe ausführlich darzustellen und deren Umfeld zu erhellen.

In den Publikationen der AAVSO (Newsletter, Bulletin, Journal und Manual) und der AFOEV (Bulletin), die ich einigermaßen gut durchsehe, habe ich keine Hinweise zu organisatorischen Fragen oder solche zu grundsätzlichen Gestaltungen z.B. der Datenbank gefunden. Gemeinhin werden solche Handhabungen aber als nicht zur Veröffentlichung geeignet angesehen, da es einerseits "Interna" sind und die Ergebnisse der Bearbeitung als "Externa" ja irgendwie erkennbar sind. Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass ich einen einschlägigen Artikel übersehen habe; denn derartige Beiträge kommen eigentlich nur einmal aus akutem Anlass, dann sind sie allgemein gültig und werden nicht mehr wiederholt.

Nun etwas Konkretes

Mit der AFOEV sind wir hinsichtlich deren Datenbank-Handhabung durch ausführliche Korrespondenz mit Herrn Schweitzer aus unserer Zusammenarbeit über Thorsten Lange nun voll im Bilde. Die Abstimmung mit unserem französischen Partner vollzog sich reibungslos, weil mit Herrn Schweitzer in Deutsch kommuniziert werden konnte - Englisch wäre kein Hinderungsgrund gewesen. Es galt aber zudem konkrete beiderseitige Fragen zu klären, die auch seitens der AFOEV wichtig waren. Thorsten Lange war sensibilisiert, mehr wissen zu müssen und Herr Schweitzer antwortet nicht nur stets unmittelbar, sondern auch sehr gesprächsbereit und erklärungsfreudig. Das ist eine ganz tolle Eigenschaft von ihm, die ich mir in jeder Zusammenarbeit mit anderen - auch in der BAV - sehr wünschen würde!

Im Hintergrund steht dabei natürlich auch die Arbeit mit der AAVSO, weil die Datenbank der AFOEV seit wenigen Jahren voll kompatibel geführt wird.

Über Anlass und Ergebnis der AFOEV-Kooperation kann Thorsten Lange heute leider nicht berichten. Sein Vortrag ist für Osnabrück zurückgestellt. Ich kann hier nur sagen: Wir sind zufrieden.

Spekulation und Fakten zur AAVSO-Arbeit

Mit der Gestaltung der Kommunikation im Allgemeinen und im Detail hat die AAVSO ein erkennbares Problem, das ich wie folgt einschätze:

Janet A. Mattei als Direktorin ist die Schaltstelle generell für fast Alles und bei den vielen Aufgaben, die sie mit dem ihr eigenen Elan betreibt. Dabei scheint es ein Delegationsproblem bei ihr und damit in der AAVSO zu geben.

Aktuelle Hinweise: Béla bekam im zweiten Anlauf AAVSO-Material zur Bearbeitung. Ich bekam keine Antwort zur Frage, ob ein europäisches Mail-Diskussionsforum eingerichtet sei, das sie nach Aussagen von Peter Maurer nach dem geplatzten AFOEV-Meeting 2001 auf den Weg bringen sollte. (Eine Rückfrage auf unverständliche Anfragen, sei es in der Sprache und ggf. vom nicht einzuordnenden Inhalt her, ist wohl auch bei anderen Institutionen nicht zu erwarten). Peter Maurers BAV-Austritt wurde trotz seiner sicher gut lesbaren Mitteilung nicht in DV-Verteilern registriert...

Zur allgemeinen AAVSO-Arbeit

Bei der AAVSO-Arbeit stützt sich Janet A. Mattei generell stark ab auf das, was DV-mäßig zur Lösung allgemeiner Fragen angeboten wird und das ist viel! Vor noch wenigen Jahren wäre daran gar nicht zu denken gewesen. Seit einem mit den Erträgen für die allgemeine Arbeit nutzbaren Millionen-Vermächtnisses des verstorbenen AAVSO-Mitgliedes Clinton B. Ford (1992) ist es zu der inzwischen in der Breite gewachsenen und erkennbaren neuen Darstellung der AAVSO gekommen.

Hierzu die uns in der BAV bekannten, aktuelleren Dinge:

Die Homepage läuft und die DV dazu wird intensiv weiter entwickelt.

Auf der Homepage gibt es unter "Diskussionsgruppe" eine gute Möglichkeit, Probleme zu lösen, denn hier antworten Fachastronomen auch auf einfache Amateurfragen! (Information von W. Quester). Das ist eine typisch US-amerikanische Art der Integration von Fachleuten und Amateuren.

Nachfragen nach AAVSO-Daten

Einen weiteren Überblick gebe ich nachfolgend mit Auszügen der Ausführungen von Janet.A. Mattei aus ihrem Jahresberichts-Abschnitt "Nachfragen nach AAVSO-Daten", um den Hintergrund zu erhellen (Newsletter Nr. 27, Januar 2002). Es lohnt sich sehr, den gesamten Beitrag zu lesen.

Bearbeitet wurden 246 elektronische oder postalische Anfragen von Astronomen, Beobachtern, Erziehern, Studenten und der Presse. Hinzu kamen 174 Anfragen durch Herunterladen von verfügbaren Daten (1963 bis 2000) vom Web.

Eine spezielle Datenversorgung erfolgte für bodengebundene Beobachtungen von Sternwarten wie Kitt Peak National Observatory und South African Astronomical Observatory und solche mit Satelliten wie dem Hubble Space Telescope, FUSE, Chandra und XMM.

Die Daten wurden in folgenden Bereichen benutzt: Daten-Analyse (26 %), Mehrfarben-Korrelationen (20 %), Parallelbeobachtungen zu bodengebundenen Instrumenten oder mit Satelliten (16 %), Simultanbeobachtungen (12 %), Referenzmaterial für Artikel (15 %), Erziehung (9 %) und IAU Circulare (2 %).

Der Schwerpunkt der Typenverteilung lag mit 51 % bei den Miras und Halbregelmäßigen und mit 40 % bei den Kataklysmischen (Zwergnovae bis Supernovae).

Europa in seiner Bedeutung für die AAVSO

Nachfolgend gebe ich einmal eine andere Zusammenstellung aus der im BAV Rundbrief 2/2002 S. 89 veröffentlichten Jahresstatistik der AAVSO 2000-2001 nach Ländern.

Vergleicht man AAVSO (natürlich nur USA) mit AFOEV und BAV zusammen, ergeben die folgenden Zahlen, unsere gemeinsame Unbedeutung. Sie dokumentieren mit nur unter ein Viertel der Beobachter, wenn auch mit rund einem Drittel der Beobachtungen den erheblichen Abstand gegenüber den USA!

Nationalstolz mag bei diesem Zahlenvergleich dahin schmelzen. Wir bleiben aber das größte Beobachterland nach den USA. Vor allem diese Position haben wir uns ja auch bei den statistischen Vergleichen immer angesehen und die Einschätzung unserer Aktivitäten danach beurteilt. Das ist aber ein Vergleich stets mit kleineren um den zweiten Platz.

Auch wenn wir darin befangen sein sollten, müssen wir unsere Augen öffnen und auf Europa schauen: Europa hat weit mehr Beobachter als die USA (321 zu 250) und auch entsprechend mehr Beobachtungen (199096 zu 123221).

Land       Beob.-Zahl    Schätzungen

USA         250      123221

Frankreich AFOEV    28       14010

Deutschland   BAV     32       29963

AFOEV und BAV    60       43973

Weiteres Europa   261      155123

Europa         321      199096

Rest der Welt       85       85223

Diese Relation dürfte schon seit Jahren so sein. Jedenfalls hat die AAVSO seit ihren Europa-Tagungen in Brüssel und Simeon (Schweiz) erkannt - und das liegt über 10 Jahre zurück -, wo ihre Zuarbeiter sind und Hinwendung gezeigt zu den Beobachtern aus allen Staaten Europas.

Das ist vielleicht auch nicht verwunderlich. In den USA senden aus 43 (!) Staaten oder Gebieten die Beobachter ihre Schätzungen an die AAVSO.

Zählen wir einmal in Europa, das ich nachfolgend mehr geografisch als politisch zusammengestellt habe: Es sind nur 16 Länder in den Einzelaufstellungen und mit den zusammengefassten Angaben 28! Da könnten wir noch die BAVer nach Bundesländern zuordnen und erreichten die USA-Verteilung in ihrer Aufsplitterung nicht.

Was wir mangels politischer Einheit noch für "Kleinstaaterei" halten, ist in den USA für die AAVSO üblicher Lebensraum. Und unsere europäische Vertei-lung nach einzelnen Ländern ist ggü. den USA-Staaten hinsichtlich der Beobachter und deren Beobachtungen in vielen Fällen viel dichter.

       Weiteres Europa (ohne einzelne Angaben für Österreich, Kroatien, Irland, Isle of Man, Litauen, Malta, Nordirland, Portugal, Schottland, Slowakei, Slowenien, Schweden unter "Andere"): Beobachter     Schätzungen

Andere          25       6309   

Belgien           22       20154

Tschechin       3       2623

England       14       20816

Finnland       10       9026

Griechenland       6       2142

Ungarn           55       11178

Italien          24       3820

Niederlande       6       9634

Norwegen       8       1522

Polen          18       41495

Rumänien       6       10328

Spanien       37       6947

Schweiz       5       3101

Ukraine           22       6028

Gesamt         261      155123

Abschließende Wertungen

Europa hat ein ggü. den USA also erkennbar ein erhebliches Beobachterpotenzial. Das fließt auch richtig auf die AAVSO zu. Es wird dort auch zur wissenschaftlichen Ausbeute weitergeleitet, weil diese Ressourcen ebenfalls in den USA angesiedelt sind.

Die weitere und intensivere Zusammenarbeit mit der AAVSO scheint mir daher unbedingt wichtig, um seit Jahren bestehende BAV-Missverständnisse aus dem Weg zu räumen.

Nach meinem Eindruck ist die AAVSO eine neue geworden, wenn auch mit verbesserungsbedürftigen Schwachstellen. Hierüber muss man offen reden, soweit man das in Englisch gut kann. Die Hinwendung der AAVSO nach Europa ist gut erkennbar und aufgrund unserer Potenziale auch zu nutzen. Das AFOEV-Meeting in Bourbon-Lancy mag dafür ein guter Ansatz sein.

Die Zusammenarbeit mit der AFOEV hat sich bestens eingespielt, hier gibt es z.Z. nichts zu verbessern.

Werner Braune

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